»Martin Krist ist der wirklich böse Bube unter
den deutschen Krimi-Schreibern.« Claudia Keikus, Berliner Kurier.

Im Interview: Tobias Kluckert


Tobias Kluckert

Tobias Kluckert, geboren 1972 in Ost-Berlin, studierte Politikwissenschaft, bevor er eine Ausbildung als Kaufmann begann. Er nahm Schauspielunterricht, ließ sich in Sprecherziehung und Gesang ausbilden, spielte Theater, jobbte als Barkeeper in der Berliner Kneipe Blaumilchkanal sowie als Beleuchter und Tonassistent bei Film und Fernsehen.
Bekannt geworden ist er als Synchronstimme von Hollywoodstars (wie Bradley Cooper, Joaquín Phoenix und Gerard Butler) und als Sprecher für Hörbücher – aktuell meinen Thriller Drecksspiel.
Ich habe Tobias Kluckert zum Gespräch getroffen.


Ich gebe zu, ich habe mich wahnsinnig gefreut, als ich erfuhr, dass ausgerechnet Du die Hörbuchfassung meines Thrillers lesen wirst. Mal abgesehen davon, dass Deine Stimme wie geschaffen ist für das »Drecksspiel«, ist es auch die Synchronstimme solcher Stars wie Gerard Butler oder Bradley Cooper.
Stört es Dich, dass man Dich häufig nur auf die Kinostars reduziert?

Tobias Kluckert: Interessante Frage ... Stört mich das? Nein, es stört mich nicht. Das ist das Los, das einen trifft, wenn man Synchronsprecher ist. Ich stehe nicht im Mittelpunkt. Meist stehe ich nicht einmal im Abspann. Es geht nie um mich. Es geht um den Star auf der Leinwand.
Man braucht deshalb eine Menge Demut für den Job. Wenn man ein berühmter Schauspieler werden möchte, der auf der Straße erkannt wird, ist man falsch in dem Beruf.

Wirst Du trotzdem manchmal erkannt?
Tobias Kluckert: Ja, manchmal schon, dann allerdings wegen der Stimme. Mit zunehmendem Alter wird meine Stimme markanter, der Wiedererkennungswert steigt. Und die Leute sagen: Moment mal, die Stimme kommt mir bekannt vor, sind Sie nicht die Stimme von ... Gerard Butler? Auf den kommen die Leute meist zuerst.

Tobias Kluckert Wie reagierst Du?
Tobias Kluckert: Natürlich freue ich mich darüber, das sind meist schöne Momente. Aber dann ist auch wieder gut. Ich habe mich für diesen Weg entschieden und besitze auch nicht den Ehrgeiz, unbedingt vor die Kamera zu wollen, weil ich berühmt werden möchte. Ich finde die Anonymität eigentlich ganz interessant.

Trotzdem arbeitest Du auch als Schauspieler, vor allem fürs Theater?
Tobias Kluckert: Naja, die ganz großen Theater rufen bei mir nicht an. Dabei wäre es für mich ganz interessant, dort zu spielen. Darauf hätte ich wirklich Lust.
Was gelegentlich passiert sind Angebote irgendwelcher Off-Theater. Davon habe ich einige gemacht, die meisten waren schlecht.
Außerdem: Von Theater kann man heutzutage nicht mehr leben. Und es wäre schwierig, würde ich mich für ein paar Monate vom Markt nehmen, um Theater zu spielen. Dann rufen die Synchronstudios ganz schnell nicht mehr an, und der Schauspieler, der bislang meine Stimme hatte, wird fortan von jemand anderes gesprochen ... Aber ich spreche meine Jungs ganz gerne und möchte sie eigentlich auch behalten. Also muss ich als Synchronsprecher jederzeit verfügbar sein.

Neben Deiner Arbeit als Synchronsprecher liest Du auch regelmäßig Hörbücher ein. Wieviele Hörbucher waren es bislang?
Tobias Kluckert: Oh, ich habe sie noch nie gezählt. Irgendwas zwischen 20 und 30. Das sind fast 300 CDs. Das ist eine ganze Menge. Aber es gibt andere Hörbuchsprecher, die haben noch viel mehr Bücher eingelesen.

Tobias Kluckert Wie bereitest Du Dich auf die Aufnahme eines Hörbuches vor?
Tobias Kluckert: Ich lese den Roman vorher durch, im günstigsten Falle lese ich ihn sogar zwei Mal. Früher habe ich mir oft Notizen dabei gemacht, Pausen, rhythmische Momente, Betonungen, aber das wird immer seltener. Es hängt vom Stil des Textes ab. Ich habe immer das Gefühl, jeder Text sucht seinen eigenen Stil. Während ich ihn lese, drängt sich mir der Stil auf, wie ich ihn lesen muss.

Anders als andere Hörbuchsprecher, die Dialoge stimmlich absetzen, verzichtest Du darauf ...
Tobias Kluckert: Ja, zum einen gibt dies meine Stimme nicht her, zum anderen wirkt so etwas ganz schnell comicesk. Außerdem setzt man dem Zuhörer zuviel Informationen vor. Es geht doch darum, Bilder zu erzeugen, ein Kopfkino beim Zuhörer. Wenn ich ihm zuviel vorgebe, hat er nicht mehr die Möglichkeit, eigene Bilder zu entwickeln.
Deshalb versuche ich auf Milieus einzugehen, oder die Sprache. Oder ich spiele die Haltung mit. Aber keine Stimmen.

Du hast die »Tore der Welt« und »Säulen der Erde« von Ken Follett eingelesen, historische Romane. Das »Schwert der Wahrheit« von Terry Goodkind, Fantasy-Romane. »Im Takt des Todes« von David Baldacci, »Blackmail« von Greg Iles oder jetzt »Drecksspiel« von mir ... Stehst Du für alle Genres als Hörbuchsprecher zur Verfügung?
Tobias Kluckert: Wenn mich der Stoff interessiert, habe ich an allem Spaß, fast allem ... Was mir gar keinen Spaß gemacht hat, das waren die Romane von Terry Goodkind. Das ist unterste Schmonzette.

Ich habe gehört, Du hast Goodkinds Serie mittendrin aufgegeben, weil Dir die Folterszenen zu viel wurden.
Tobias Kluckert: Ja, ich musste im dritten Buch 150 Seiten lang Folterszenen lesen. Irgendwann sagte ich: Danke schön, mir reicht's!

Tobias Kluckert & Martin Krist Was liest Du persönlich am liebsten?
Tobias Kluckert: Ich lese wahnsinnig viel und ich lese kreuz und quer. Immer wieder Klassiker und Weltliteratur, kürzlich zum Beispiel Éric-Emmanuel Schmitt, dessen »Adolf H. Zwei Leben« ein spektakulär-tolles Buch ist. Robert Merles »Forture de France«, eine 13-bändige Saga, die ich innerhalb von vier Monaten gelesen habe ... Wahnsinn! Oder letztens mal wieder einen Roman von Remarque. Aber auch Science Fiction, Krimis oder Thriller.

Was macht für Dich einen guten Krimi oder Thriller aus?
Tobias Kluckert: Ganz klar, der Spannungsbogen. Aber auch die Figuren und ihr Milieu, wenn ein Autor sie eindringlich zeichnet. Dann macht mir ein Krimi oder Thriller Spaß.

Hat Dir das »Drecksspiel« Spaß bereitet?
Tobias Kluckert: Sehr großen sogar, denn das »Drecksspiel« hat ein Wahnsinnstempo und überrascht mit immer neuen Wendungen. Und dann die Figuren: David, der so zwielichtig erscheint. Caro, eine interessante Frau, die ich gerne mal kennenlernen möchte. Und Toni, dem alles Pech dieser Welt widerfährt ...

»Drecksspiel« zeichnet ein düsteres, schmutziges Bild der Hauptstadt. Für Dich als Berliner: Wieviel Berlin steckt in »Drecksspiel«?
Tobias Kluckert: Sehr viel. Das ist auch das, was mir an dem Thriller gefällt. Ich finde, »Drecksspiel« ist sehr Berlin, mit all seinen Fallhöhen und unterschiedlichen Milieus, die der Roman streift. Man lernt die Yuppies aus Mitte kennen, Türken-Kids aus Kreuzberg ...
Meine Lieblingssatz in »Drecksspiel« lautet: »Andere Viertel mochten der Arsch der Welt sein. Marzahn war die verkrüppelte Hüfte.« Ein Supersatz!

Fotos: Alexander Hörbe

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