»Martin Krist ist der wirklich böse Bube unter
den deutschen Krimi-Schreibern.« Claudia Keikus, Berliner Kurier.

Im Interview: Timo Kümmel


Timo Kümmel

Timo Kümmel, geboren 1980, Illustrator und Cover-Artist aus Berlin, hat schon für Die Mädchenwiese die Dorfkarte von Finkenwerda entworfen. Für Drecksspiel hat er erneut den Zeichenstift in die Hand genommen. Nicht nur für die Website zu »Drecksspiel« setzte er David Gross beeindruckend in Szene. Auch für die Taschenbuchausgabe hat er eine großartige Illustration meiner Hauptfigur entworfen.
Ich habe mich mit Timo Kümmel über seine Arbeit unterhalten.


Lieber Timo ... Grafiker, Designer, Illustrator, auf Deiner Website bezeichnest Du Dich sogar als – ich zitiere – »Schmierfink«. Was beschreibt Dich und Deine Arbeit am besten?
Timo Kümmel: Hah, ja, den Schmierfinken konnte ich mir damals beim Zusammenpappen der Page nicht verkneifen … ein Augenzwinkern darf halt immer gerne dabei sein.
Illustrator trifft den Nagel auf den Kopf. Man könnte es sogar noch enger eingrenzen, indem ich primär für den Buchmarkt arbeite. Ausnahmen bestätigen die Regel, aber die Leidenschaft für Bücher treibt mich wie selbstverständlich voran.

Illustrator - schon immer ein Traumberuf von Dir?
Timo Kümmel: Jein. Der große Traum vor vielen Jahren zielte eher auf freier Künstler. An einem gewissen Punkt meines Kunststudiums habe ich dann aber ganz bewusst die Entscheidung getroffen, dass dieser Weg für mich nicht funktioniert und mein artverwandtes Hobby zum Beruf gemacht, denn Illustrationen für diverse Fanzines und Kleinverlage werkelte ich schon seit späten Teenagertagen.

Timo KümmelWie darf ich mir Deine Arbeit als Illustrator vorstellen? Feste Arbeitszeiten? Oder wie schaut ein ganz normaler Tag im Leben von Timo Kümmel aus?
Timo Kümmel: Feste Arbeitszeiten habe ich tatsächlich nicht, nur persönliche Richtlinien. Meist rolle ich mich gegen 8 aus dem Bett, krieche zur Kaffeemaschine und dann auch schon direkt an den Computer, die aktuellen Aufträge und Geschäftskorrespondenz bearbeiten.
Dabei leide ich natürlich unter dem Fluch der kreativen Freiberufler. Mal läuft es gut, mal hypnotisiert man nur den Monitor und kommt kaum voran. Ich versuche einfach, über die Woche meine effektiven 40 bis 50 Arbeitsstunden zu sammeln. Dafür habe ich halt keinen fixen Feierabend, bin manchmal noch bis tief in die Nacht zugange. Wochenenden und Feiertage sind keine Entschuldigung, nicht wenigsten zwei, drei Posten auf der Liste abzuhaken.

Du bist in der Branche vor allem bekannt durch Deine Coverbilder. Wie gehst Du an die Arbeit für ein Titelbild heran?
Timo Kümmel: Insofern ich es zeitlich packe und mir von Verlagsseite die Möglichkeit gegeben wird, lese ich vorab das komplette Manuskript, um mich in den Stoff einzufühlen, und stelle Verlag und Autor danach verbal meinen Vorschlag zur Covergestaltung vor, sodass sich jeder noch mit Wünschen und Ergänzungen einbringen kann. Haben wir alles abgeklopft, geht es auch schon an die Umsetzung. Meist schließen sich nach getaner Arbeit noch ein, zwei Korrekturrunden an.

Viele Deiner Coverbilder bestechen durch Ihren Fotorealismus. Inwiefern spielen Fotos eine Rolle für Deine Illustrationen?
Timo Kümmel: Sie sind sowohl Ausgangsbasis als auch elementarer Bestandteil. Je nachdem um welches Motiv es geht, stehen Fotos und deren Manipulation im Vordergrund, oder die Arbeit mit dem Grafik-Tablett und digitales Malen direkt am Computer. Je phantastischer ein Motiv wird, desto mehr muss ich natürlich malen, was es in natura nicht gibt – je realitätsnäher ein Motiv, desto mehr arrangiere und manipuliere ich reale Foto-Eindrücke.

Timo KümmelHand aufs Herz: Wie wichtig ist für die Arbeit eines Illustrators heutzutage Photoshop?
Timo Kümmel: Da kann ich natürlich nur für mich sprechen, aber ohne Photoshop und mein Grafik-Tablett geht bei mir gar nichts mehr. Selbst wenn ich mal wieder mit Stift und Papier arbeiten würde, stände für mich anschließend eine digitale Retusche auf dem Plan ...

Und wie wichtig ist Dir für ein Titelbild die Lektüre des Romans? Oder genügt ein kurzes Exposé?
Timo Kümmel: Pauschal will ich das derzeit gar nicht mehr beantworten … Ich liebe es, die Romane vorab komplett zu lesen. So bekomme ich ein gutes Gefühl für Stimmung, Setting und Charaktere, kann mit Verlag und Autor als Insider absprechen, wie wir das Cover gestalten können.
Manchmal packe ich es zeitlich aber leider nicht vorab, oder mir wird gar nicht erst der Blick ins komplette Manuskript eingeräumt, dann kann man auch sehr gut mit Exposé und Textauszug fahren.
Und dann stehen mal die Atmosphäre und ein blickfangendes Schlaglicht im Vordergrund, wie es gerade im Thriller-Ressort sehr, sehr stark der Fall ist. Da kann es sogar sein, dass eine zu detaillierte Textkenntnis einengt, weil man plötzlich Inhalte einbringen und transportieren möchte, die von Vertrieb & Co eh abgewürgt werden, weil es zu überladen ist, nicht mehr prägnant und schnell genug im Handel funktionieren würde ...

Dein Spektrum reicht von allen Spielarten der Phantastik bis hin zu Spannungsthemen und Kinder-/Jugendbüchern. Inwieweit unterscheidet sich Deine Arbeit für die unterschiedlichen Genres?
Timo Kümmel: Wie ich oben schon zur Relevanz von Fotos schrieb, verlangt die Phantastik bei mir einen weit höheren Anteil am Malen mit dem Grafik-Tablett, deswegen sind diese Bilder auch meist viel zeitintensiver.
Motive, die größtenteils auf Fotos beruhen, und damit die meisten meiner Thriller-Bilder, fordern hingegen mehr den Fotografen in mir, der sich sein Bild suchen oder es künstlich arrangieren muss. Beides macht großen Spaß!

Timo KümmelGibt es ein Genre, das Du für Deine Arbeit bevorzugst?
Timo Kümmel: Nein, ich springe sehr, sehr gerne! So geht es mir auch als Konsument in Wort, Bild und Ton – dementsprechend verspielt kommen bspw. auch mein Bücherregal und die TV-Auswahl daher ...
Wurde der psychopathische Killer zur Strecke gebracht, darf erstmal eine Mittelalter-Welt verzaubert werden, bevor wir der Methan-Atmosphäre mit Terraformung zu Leibe rücken und Cthulhus Wecker mit einem besonders schrillen Alarmton bestücken.

Für das Drecksspiel hast Du eine Illustrationen der Titelfigur entwickelt. Wie bist Du an den Entwurf der Figur herangegangen?
Timo Kümmel: Durch die Lektüre des Romans hatte ich ein gutes Gefühl für die Stimmung und die Charaktere gewonnen. Beim Arrangement der Ausgangsfotos wählte ich ganz bewusst eine seitliche Darstellung des Gesichts. Gerade bei Personen halte ich es gerne so, nicht plakativ ins Gesicht zu arbeiten, sondern lieber so viel wie möglich der Phantasie des Betrachters und Lesers zu überlassen. So wähle ich auch lieber Sinnbilder als fixe Szenen, die womöglich schon vorab zu viel von der Handlung verraten.
Ich sehe Bilder da grundsätzlich eher als Stützen, die das Geschriebene unterfüttern sollen, nicht etwa vorwegnehmen, entmystifizieren oder schlimmstenfalls gar konterkarieren.
Andeutungen und Stimmungen sind mir weit wichtiger.

Du hast Drecksspiel bereits gelesen. In dem Thriller kommt die Hauptstadt nicht wirklich gut weg. Du selbst bist ebenfalls Berliner. Wie nahe kommt der Roman dem wahren Berlin?
Timo Kümmel: Hah, ich denke, Berlin kommt weder gut noch schlecht weg, sondern einfach nur verdammt authentisch!
Mit einem Hamburger sprach ich mal über den Vergleich, dass seine Hansestadt die alte Dame und Berlin eine rotzige Schlampe sei. Das kommt der Realität sehr nahe ...
Als richtige, und wohl einzige deutsche, Weltstadt gibt es hier alles: die Gosse, Dreck, Kriminalität, Krankheiten, Freaks und Freaks (!), einzigartige Vielfältigkeit, Kreativität und Kultur zwischen Mülleimern und Hundehaufen oder in klassizistischen Prunkbauten. Durchdesigntes Leben in Luxus-Lofts zwischen Edel-Boutiquen, türkischen Obstverkäufern, Asia-Läden, Stuckdecken, heimeligen Straßenlokalen und Plattenbauten.
Man kann alles sein, alles werden, scheitern, siegen und völlig normal bleiben.
Die Erfahrungen liegen auf der Straße. Man muss (und sollte wohl auch) nicht alle mitnehmen - dagegen seine Prioritäten, Ideale und Leidenschaften im Fokus den eigenen Weg gehen.

Timo Kümmel im Internet: sein Blog und bei Facebook.

Demnächst von Timo Kümmel: Science Fiction-Kalender 2014
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